4 Jahre nach der Flut

Wie geht es Menschen mit Behinderungen im Ahrtal heute?
Zwei Personen schauen mit ernsten Blick in die Kamera. Die linke Person ist eine junge Frau, sie benutzt einen Rollstuhl und trägt ein T-Shirt. Rechts daneben steht ein junger Mann. Er trägt eine Brille und hat kurze Haare.

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Vor 4 Jahren gab es im Ahrtal ein Hoch-Wasser.
12 Menschen mit Behinderungen sind gestorben.

Sie konnten sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen.
Was hat sich seit dem Hoch-Wasser verändert?

Sind Menschen mit Behinderungen jetzt sicherer?

Nick und Muriel sind beste Freund*innen.
Sie waren schon gemeinsam in der Schule.
Am Wochenende besucht Nick Muriel.

Muriel wohnt in Sinzig.
Das ist eine Stadt im Ahrtal in Deutschland.
Vor 4 Jahren gab es dort ein schlimmes Hoch-Wasser.
Eine Flut hat Bäume umgestürzt.
Und ganze Häuser zerstört.
Viele Menschen sind gestorben.
Auch 12 Menschen mit Behinderungen.
Sie haben in einem Wohn-Heim der Lebenshilfe gewohnt.
In der Pestalozzi-Straße in Sinzig.
Die Warnungen vor der Flut kamen zu spät.
Und 12 Bewohner*innen sind ertrunken.

Ein neues Zuhause suchen

Heute wohnt niemand mehr
im Wohn-Heim in der Pestalozzi-Straße.
Das Haus liegt zu nah am Wasser.
Und das ist gefährlich.

16 Bewohner*innen aus der Pestalozzi-Straße

haben die Flut überlebt.
Sie wohnen jetzt an anderen Orten.
Manche wohnen zum Beispiel in einem alten Hotel.

12 Kilometer von Sinzig entfernt.

Dort wohnt auch Nick.

Muriel und Nick finden:

Das neue Zuhause von Nick ist nicht so gut.

Dort kann man nichts unternehmen.

Dort ist es auch zu laut.
Weil gleich neben dem Haus
eine Hauptstraße ist.

Das alte Hotel soll nicht für immer
das Zuhause von Nick und den anderen bleiben.

Es ist eine Zwischen-Lösung.
Eigentlich wollen sie zurück nach Sinzig.

Ein junger Mann schaut mit ernstem Blick in die Kamera. Er trägt eine Brille und kurze blonde Haare. Im Hintergrund sieht man eine Tankstelle.
Das ist Nick.

Am liebsten wollen sie
in der Ausdorfer-Straße wohnen.
Dort ist auch Muriels Wohn-Heim.
Dort gibt es sogar ein freies Grundstück.

Aber die Nachbar*innen sind

gegen ein neues Wohn-Heim in ihrer Straße.

Sie sagen:
Das Haus wäre zu hoch.

Und:
Das Haus würde ihnen
die Sonne wegnehmen.
Also kann die Lebenshilfe dort
kein neues Wohn-Heim bauen. Denn:
Alle Nachbar*innen
müssen einverstanden sein.
Mittlerweile hat die Lebenshilfe
ein anderes Grundstück gefunden.

Vor 2 Jahren hat andererseits
eine Doku über das Hoch-Wasser
im Ahrtal gemacht.
Die Doku heißt: „Rette sich, wer kann“.

Inklusion und Wohn-Heime

In 3 Jahren soll es endlich
ein neues Wohn-Heim in Sinzig geben.
Aber:
Ist ein neues Wohn-Heim eine gute Idee?
Viele Menschen finden Wohn-Heime
für Menschen mit Behinderungen nicht gut.
Sie sagen:
Wohn-Heime machen Menschen

mit Behinderungen unsichtbar.
Sie leben dann nicht mitten in der Gesellschaft.
Sondern am Rand der Gesellschaft.
Das passt nicht mit Inklusion zusammen.

Die UN-Konvention über die Rechte
von Menschen mit Behinderungen ist ein Vertrag.

In dem Vertrag steht:
Was ist Inklusion?
In dem Vertrag steht auch:
Wohn-Heime sind schlecht für die Inklusion.

In einem Wohn-Heim kümmern sich oft
nur wenige Menschen um die Bewohner*innen.
In der Nacht vom Hoch-Wasser hat sich
nur eine Person um 28 Bewohner*innen gekümmert.

Das war ein großes Problem.
Eine Person alleine kann nicht 28 Menschen retten.

Besser ist:
Menschen mit und ohne Behinderungen
wohnen gemeinsam.
In barrierefreien Häusern.

Für Katastrophen-Schutz ist
Zusammen-Halten sehr wichtig.

Damit niemand vergessen wird.
Das sagt die Forscherin Naomi Shulman.
Ohne Zusammenhalt kann man sich nicht gut unterstützen.
Das kann bei Natur-Katastrophen gefährlich sein.

Besserer Schutz für Menschen mit Behinderungen

Wegen des Klima-Wandels
wird es öfter Natur-Katastrophen geben.

Es kann auch in Zukunft
schlimme Hoch-Wasser geben.
Nach dem Hoch-Wasser vor 4 Jahren

hat die Stadt Sinzig beschlossen:
Die Stadt muss sich besser vorbereiten.

Eine junge Frau sieht mit ernstem Blick in die Kamera. Sie hat kurze braune Haare und trägt ein T-Shirt. Sie benutzt einen Rollstuhl.
Das ist Muriel.

Für Natur-Katastrophen gibt es normalerweise Notfall-Pläne. Dort steht zum Beispiel:

  • Was muss die Feuerwehr bei einem

    Hoch-Wasser tun?

  • Wie kann sie möglichst viele Menschen

    retten?

In Notfall-Plänen steht aber oft nicht:
Wie kann man Menschen mit Behinderungen schützen?

Das ist ein Problem.
Denn:
Menschen mit Behinderungen brauchen

bei Katastrophen besonderen Schutz.
Das zeigt eine Studie aus dem Jahr 2024.
Für Menschen mit Behinderungen
sind Natur-Katastrophen besonders gefährlich.
Viele können sich alleine nicht in Sicherheit bringen. Deswegen sind inklusive Notfall-Pläne wichtig.
Also Pläne für den Schutz
von Menschen mit Behinderungen.

Es gibt schon Ideen für inklusiven Katastrophen-Schutz:

  • Notfall-SMS in einfacher Sprache.

  • Eine Notfall-App für gehörlose Menschen.

    Die App bringt das Handy im Notfall
    zum Vibrieren und Aufleuchten.
    Denn: Gehörlose Menschen können
    Sirenen nicht hören.

Die Stadt Sinzig hat sich auch Ideen überlegt.

Aber sie hat noch keinen genauen Plan
für inklusiven Katastrophen-Schutz aufgeschrieben.

Das heißt:
Die Stadt ist auch nach 4 Jahren

nicht gut vorbereitet.

Zusammen-Halten

Muriel hat Angst vor einem neuen Hoch-Wasser.

Deswegen wollte sie lange nicht zum Fluss gehen.

Am Fluss erinnert sie sich an die Angst vor der Flut.

Und an die Freund*innen,

die jetzt tot sind.

Sie hat ihre Erinnerungen in ein Tagebuch geschrieben.

Auf mehr als 100 Seiten.

Das Foto zeigt ein offenes Tagebuch, das auf einem Schreibtisch liegt. In der linken Ecke sitzt eine junge Frau.
Das ist Muriels Tagebuch.

Aber es gibt auch schöne Erinnerungen.

Zum Beispiel an einen Tag im Januar.
Da sind 300 Menschen
in die Ausdorfer-Straße in Sinzig gekommen.

Dorthin, wo das neue Wohn-Heim

eigentlich gebaut werden sollte.
Die Menschen wollten damit zeigen:

Sinzig ist für alle da.
Auch für Menschen mit Behinderungen.

Muriel und Nick sind auch
in der Menge gestanden.
An diesem Tag im Januar haben viele Menschen

in Sinzig Zusammenhalt gezeigt.

Nick und Muriel fragen sich trotzdem:

Was wird zuerst kommen:
Ein guter Plan für den Schutz
von Menschen mit Behinderungen?

Oder das nächste Hoch-Wasser?

Für diese Geschichte haben wir
mit der Zeitung „Falter“

zusammen-gearbeitet.

Geschrieben Von

Chiara Joos 

Fotos von

Nirén Mahajan

Redaktion

Lisa Kreutzer

In Leichter Sprache von

Sandra Schmidhofer

Geprüft von

Luise Jäger