Kübra Sekin ist eine Schauspielerin mit Behinderung.
Ihr zweiter Beruf ist Moderatorin.
Das heißt:
Sie spricht auf der Bühne mit Menschen.
Sie hat uns über Gemeinschaft, Hürden und Verlieben erzählt.
Dieser Text spielt in Deutschland.
Einer von Deinen Berufen ist Moderatorin. Was macht Dir daran am meisten Spaß?
Ich bin neugierig und
kann gut zuhören.
Aber es macht mir auch Spaß,
dass ich das Mikrofon habe und das Gespräch leite.
Ich habe auf der Bühne Macht.
Das kommt nicht oft vor.
Das liegt an verschiedenen Dingen:
Ich bin eine behinderte Frau.
Ich bin lesbisch.
Das heißt: Ich liebe eine Frau.
Und ich bin migrantisch.
Das heißt:
Meine Familie ist vor vielen Jahren
aus einem anderen Land
nach Deutschland gekommen.
Welche Erfahrungen machst Du als lesbische, behinderte und migrantische Frau in Deutschland?
Ich erlebe oft Diskriminierungen.
Das heißt:
Ich werde schlechter behandelt oder ausgeschlossen.
Zum Beispiel:
Ärzt*innen hören mir oft nicht zu.
Sie hören mir oft erst dann zu,
wenn eine Person ohne Behinderungen mich begleitet.
Ich muss mich bei der Arbeit
sehr anstrengen,
damit nicht-migrantische Menschen mir zuhören.
Was hilft Dir, wenn Du Dich schlecht fühlst?
Ich habe 5 Jahre
eine Therapie gemacht.
Das heißt:
Ich habe mit einer Fach-Person darüber gesprochen,
wie ich mir selbst gut helfen kann.
Für mich ist zum Beispiel gut,
wenn ich morgens immer mein Bett mache und meine Haut pflege.
Ich mache immer
erst etwas für mich,
bevor ich an
andere Sachen denke.
Und es hilft mir,
mit Freund*innen über meine Gefühle zu reden.
Dann merke ich:
Ich bin nicht allein.
Du bist auch Schauspielerin.
Welche Hürden gibt es für Dich bei der Arbeit?
Kolleg*innen ohne Behinderungen sind oft unsicher,
wenn sie mit mir arbeiten.
Die Kolleg*innen sagen:
Sie haben Berührungs-Ängste.
Das hört sich so an,
als ob ich ein Monster bin.
Dabei geht es
da gar nicht um mich.
Die Kolleg*innen sind unsicher,
weil die Gesellschaft behinderten-feindlich ist.
Andere Hürden sind:
Viele Räume sind nicht barriere-frei für Rollstühle.
Oder es gibt keine Crip Time.
Was ist Crip Time?
Crip Time ist englisch.
Damit ist die Zeit von behinderten Menschen gemeint.
Die Zeit von behinderten Menschen ist anders als die Zeit von
Menschen ohne Behinderungen.
Ich brauche mehr Zeit,
um an Orte zu kommen.
Zum Beispiel wenn Aufzüge nicht funktionieren oder ich wegen Schmerzen länger
im Bett bleiben muss
Du lebst mit Deiner Freundin zusammen in Köln. Wie war es für Dich, Dich zu verlieben?
Verliebt-Sein ist für mich schön, aber auch anstrengend.
Ich kann es nicht gut aushalten, aufgeregt und unsicher zu sein. Aber jetzt sind wir verlobt.
Miri hat mich gefragt,
ob wir heiraten.
Vorher haben wir viel über Heiraten gesprochen,
weil es bei behinderten Menschen
manchmal schwieriger ist.
Warum ist es schwieriger?
Vielleicht brauche ich in ein paar Jahren Personen,
die mich im Alltag unterstützen.
Wenn ich heirate und meine Partnerin gut verdient,
muss sie vielleicht die Unterstützung mitbezahlen.
Das ist eine Regel in Deutschland.
Das ist diskriminierend.
Viele Paare können
darum nicht heiraten.
Was macht Dich stolz?
Ich habe viel Widerstands-Kraft.
Das heißt:
Ich komme auch mit schwierigen Situationen zurecht.
Darum habe ich viel erreicht,
über das ich heute froh bin.
Aber stolz bin ich
eher auf Gruppen,
zu denen ich gehöre.
Ich bin zum Beispiel stolz,
dass ich eine behinderte und lesbische Frau bin.
Ich bin stolz auf viele Menschen,
die in der Vergangenheit
für die Rechte von den Gruppen gekämpft haben.
Darum kann ich heute als behinderte,
migrantische und lesbische Frau
auf Bühnen stehen.
Und darum kann ich
eine Frau heiraten.
Was wünschst Du Dir?
Ich wünsche mir,
dass es mehr Filme und Serien von behinderten Menschen gibt.
Dafür brauchen wir
behinderte Menschen,
die schreiben und Filme machen.
Wir brauchen behinderte Menschen,
die gute Ideen und Lust auf diese Berufe haben.
Es ist möglich,
in diesen Berufen zu arbeiten.
Ich wünsche mir,
dass Menschen mit Ideen es versuchen und sich
gegenseitig unterstützen.
Und viele Menschen sollen Bücher
von behinderten Menschen lesen.
Das ist so wichtig.
Fragen von
Luise Jäger
und von
Lisa Kreutzer
In Leichte Sprache von
Constanze Busch
Fotografiert von
Marlen Kirsch
Redaktion
Kristina Kobl
