In diesem Text geht es um Österreich.
Wir stehen für Vielfalt – so formulieren viele große Unternehmen ihren Anspruch. Unsere Daten zeigen: Auch 2024 bleibt Inklusion für viele Arbeitgeber*innen in Österreich ein Versprechen, das sie nicht einlösen.
Große Unternehmen in Österreich müssen Menschen mit Behinderungen anstellen. So steht es im Gesetz. Diese Pflicht heißt Beschäftigungs-Pflicht. Wie gut einzelne Firmen, Organisationen und öffentliche Stellen ihre Beschäftigungs-Pflicht erfüllt haben, war lange nicht öffentlich bekannt. Das Sozial-Ministerium gab die Zahlen nicht heraus.
Wir haben gemeinsam mit DOSSIER schon die Zahlen aus den Jahren 2020 und 2022 veröffentlicht. Diese Zahlen wurden andererseits heimlich gegeben. Sonst gab es keine Informationen. Dieses Jahr gab es eine große Änderung in Österreich: das neue Informations-Freiheits-Gesetz. Seitdem können Menschen in Österreich viel mehr Daten bekommen. andererseits hat durch dieses neue Gesetz neue Daten zur Ausgleichs-Taxe aus dem Jahr 2024 bekommen.
Die Daten hat Sebastian Elisa Pfeifer über das Informations-Freiheits-Gesetz angefragt. Wie schon in den vergangenen Jahren hat andererseits aus den Daten eine Such-Funktion gebaut.
Willst Du wissen, wie Dein*e Arbeitgeber*in abschneidet?
Hier kannst Du nachsehen, wie Arbeitgeber*innen mit mehr als 250 Beschäftigten ihre Beschäftigungs-Pflicht erfüllen.
Was sagen die Daten?
Von den Arbeitgeber*innen, deren Standort sich nicht verändert hat,
- blieben 829 beim selben Erfüllungs-Grad (124 davon bei null),
- verbesserten sich 732,
- verschlechterten sich 579.
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Im Durchschnitt stieg die Erfüllungs-Quote um 2,3 Prozent-Punkte.
Trotzdem erfüllen, auch 17 Jahre nachdem sich Österreich zur Umsetzung der UN-Behinderten-Rechts-Konvention verpflichtet hat, viele Unternehmen ihre Beschäftigungs-Pflicht nicht.
Österreich hat im Jahr 2008 zugesagt, die UN-Behinderten-Rechts-Konvention umzusetzen. Die Konvention besagt, dass alle Menschen gleichberechtigten Zugang zum Arbeits-Markt bekommen sollen. Menschen mit Behinderungen genauso wie Menschen ohne Behinderungen. Doch die Daten legen nahe, dass zahlreiche Arbeitgeber*innen ihre Verantwortung weiterhin nicht ernst genug nehmen.
Mitverantwortlich ist auch die Politik. Derzeit plant die österreichische Regierung deutliche Kürzungen. Auch bei Programmen, die Inklusion am Arbeits-Markt fördern. Das Ziel der Inklusion ist bis heute nicht erreicht. Österreich entfernt sich weiter davon.
Beispiele dafür, was Du aus den Daten lesen kannst:
Die Wiener Linien werben mit Inklusion, Jobs für Menschen mit Behinderungen schaffen sie aber zu wenige. Während die Geschäfts-Führerin 2025 gegenüber der Presse noch erklärte, Vielfalt sei „unsere größte Stärke“, blieb die Erfüllungs-Quote zwischen 2022 und 2024 unverändert. Mit 49 Prozent erfüllen die Wiener Linien nicht einmal die Hälfte der gesetzlichen Vorgaben.
Die Wiener Linien erklären das Problem mit den Vorgaben für Verkehrs-Unternehmen. Diese fordern strenge gesundheitliche Anforderungen an Mitarbeiter*innen. Dadurch sei es schwieriger, Menschen mit bestimmten Behinderungen einzustellen. “Diese Vorschriften betreffen rund die Hälfte der Arbeitsplätze.” Um die Situation zu verbessern, gibt es seit über vier Jahren bei uns eine eigene Diversity- und Inklusions-Beauftragte.
Das Wiener Burgtheater wirbt mit einer inklusiven Produktion, hinter den Kulissen sieht es anders aus. In der Burgtheater GmbH arbeiten nur rund ein Drittel so viele Menschen, wie es laut Gesetz vorgesehen wäre. Das heißt, weil zu wenige Menschen mit Behinderungen beschäftigt sind, muss die Burgtheater GmbH Ausgleichs-Taxe zahlen.
Dass auch in Deutschland Inklusion an Theatern kaum stattfindet – und was Inklusion verhindert – hat andererseits dieses Jahr recherchiert. Zur Recherche kommst Du hier.
Die Volkshilfe Wien betreibt Programme, die die Inklusion von Menschen mit Behinderungen fördern. In den eigenen Reihen hat sich die Situation jedoch verschlechtert. Im Jahr 2020 erfüllte sie noch die Beschäftigungs-Pflicht. Vier Jahre später lag die Quote nur noch bei 80 Prozent – ein Rückgang um ein Fünftel.
Warum ist das Informations-Freiheits-Gesetz wichtig?
Seit 2025 besteht erstmals in Österreich ein geregeltes Recht auf Zugang zu bestimmten staatlichen Informationen. Für unsere Recherchen bedeutet das: Die Daten zur Beschäftigungs-Pflicht sind nicht länger geheim.
Gleichzeitig bleiben Einschränkungen. Die Daten zeigen nicht, welche Unternehmen die Beschäftigungs-Pflicht über-erfüllt haben. Und wir haben über das Informations-Freiheits-Gesetz nur die Daten der Arbeitgeber*innen bekommen, die mehr als 250 Beschäftigte haben. Nach der ersten Anfrage teilte das Sozial-Ministerium mit, es könne nur Zahlen von Arbeitgeber*innen mit mehr als 500 Beschäftigten liefern. Nach weiteren Nachfragen wurde die Grenze auf 250 Beschäftigte gesenkt.
Die Daten, die wir für die Jahre 2020 und 2022 zugespielt bekommen haben, hatten diese Einschränkungen nicht. Es waren die Daten aller Arbeitgeber*innen. Damals haben wir uns als Redaktion dazu entschieden, die Daten der Arbeitgeber*innen ab 100 Beschäftigten frei zugänglich zu machen.
Trotzdem ermöglichen die neuen Daten erstmals eine breite, überprüfbare Diskussion darüber, welche Arbeitgeber*innen in Österreich Inklusion leben – und welche sie umgehen.
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Sebastian Elisa Pfeifer arbeitet in der IT und studiert Medien, Information und Kommunikation an der Hochschule Burgenland. Als nicht-binäre Person kam Sebastian Elisa über Fragen des Personen-Stands-Rechts mit Datenschutz und schließlich mit dem Recht auf Informations-Zugang in Berührung. Sebastian Elisa hat eine unsichtbare Behinderung und beschäftigt sich in einem Blog mit den Themen Personen-Stands-Recht, Datenschutz und Behinderung. Mehr Infos findest du auf dem Blog.
Geschrieben Von
Lisa Kreutzer
Redaktion
Clara Porak
Daten
Sebastian Elisa Pfeifer,
Markus Fin Hametner
