Gewichte heben gegen Ungerechtigkeit

Die Frau Lin Ya-hsuan nutzt einen Rollstuhl und ist Gewicht-Heberin. Sie kämpft für mehr Gleich-Berechtigung für Sportler*innen mit und ohne Behinderungen.
Lin zeigt ihre Arm-Muskeln und lächelt in die Kamera

Dieser Text ist von Carina Rother. Sie arbeitet im Ausland und hat diesen Text geschrieben. Der Text ist zuerst bei Deine Korrespondentin erschienen.

Constanze Busch hat den Text vereinfacht.

Die Sportlerin Lin Ya-hsuan* ist 45 Jahre alt. Sie ist eine zierliche Frau mit breiten Schultern. Sie ist Gewicht-Heberin. Gerade ist sie aus Tokio zurückgekommen. Dort hat sie zum sechsten Mal bei der Paralympiade mitgemacht. Das sind die Olympischen Spiele für Sportler*innen mit Behinderungen. Lin stemmte in Tokio 78 Kilo schwere Gewichte und schaffte Platz sieben in ihrer Gewichts-Klasse.

Jetzt bereitet sie sich schon auf den nächsten Wettkampf vor. Fast jeden Tag übt sie in einem Trainings-Zentrum in der großen Stadt Taichung. Lin legt sich im Trainingsraum auf eine schwarze Liege. Neben der Bank steht ihr Rollstuhl. Sie macht ihre schmalen Beine mit einem Gurt an der Liege fest. Einen zweiten, breiten Riemen bindet sie sich fest um die Taille. Jetzt hat sie genug Halt, um die Hantelstange mit den schweren Gewichten zu stemmen. Im Training hebt sie 70 oder 80 Kilo.

Manchmal übt sie sogar mit 90 Kilo schweren Gewichten.

Beim Sport kann Lin zeigen, was sie kann. Und sie kann die Welt sehen, wenn sie zu den internationalen Wettkämpfen reist. Viele Menschen finden, dass Gewichtheben kein Sport für Frauen ist. Zum Beispiel, weil man davon sehr kräftige und dicke Arme bekommt. Lin ist egal, was andere Leute denken. Sie sagt: „Ich bin auf die Kraft meiner Arme angewiesen. Für mich hat es Vorteile. Bei den Wett-Kämpfen merkst du auch, dass Gewicht-Heberinnen besonders selbstbewusst sind – einfach cool.“

Der Trainer Eddie Chang hilft Lin beim Training. Er ist beeindruckt von Lin: „Sie hat einen starken Willen, und das zeigt sich auch im Training. Sie hält durch, auch wenn es mal unangenehm ist.“

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Ungleiche Chancen

Lin kann sich heute mit einem guten Training auf die Wettkämpfe vorbereiten. Und sie hat ein Jahres-Stipendium bekommen: Das ist Geld, von dem sie in der Trainingszeit leben kann. Profi-Sportlerinnen ohne Behinderungen bekommen so ein Stipendium immer. Sportlerinnen mit Behinderungen haben lange kein Geld bekommen. Lin musste viele Jahre lang selbst dafür bezahlen, dass sie für Wettkämpfe trainiert hat.

Sportlerinnen mit Behinderungen haben früher auch schlechtere Ausrüstung bekommen als Sportlerinnen ohne Behinderungen.

Lin und andere Sportlerinnen haben sich deshalb beim Olympischen Komitee von Taiwan beschwert. Das Olympische Komitee kümmert sich um die Olympischen Spiele in Taiwan. Die Sportlerinnen mit Behinderungen wollten genauso behandelt werden wie Sportlerinnen ohne Behinderungen. „Wir sitzen zwar im Rollstuhl, aber wir sind doch trotzdem Athletinnen“, sagt Lin. Manche Sportler*innen mit Behinderungen mussten den Sport aufgeben, weil sie nicht genug Geld oder keine Ausrüstung hatten.

Lin konnte weiter Gewichtheben trainieren und bei Wettkämpfen mitmachen. Sie hatte genug Geld, weil sie in Vollzeit gearbeitet hat.

Seit zwei Jahren ist es in Taiwan besser für Profi-Sportlerinnen mit Behinderungen. Das ist wichtig für die Sportlerinnen. Aber es ist auch wichtig für das Land Taiwan: In anderen Ländern ist der Behinderten-Sport schon länger sehr wichtig und gut. Und die Sportler*innen mit Behinderung aus Taiwan sollen bei internationalen Wettkämpfen auch gut sein und gewinnen.

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Mehr Barriere-Freiheit in Taiwan

Lin lebt seit ihrer Kindheit mit Rollstuhl. Sie ist mit drei Jahren aus einem Fenster im vierten Stock gefallen und hat sich den Rücken verletzt. Damals war vieles nicht barrierefrei. Lin konnte zum Beispiel mit dem Rollstuhl kaum Bus oder Bahn fahren. Sie konnte auch nicht in andere Länder verreisen, weil Reise-Veranstalter sie mit dem Rollstuhl nicht mitnehmen wollten.

Jetzt hat sich schon viel verbessert. „Inzwischen haben von zehn Gebäuden acht einen Behinderten-Eingang. Egal wo du hinkommst, es gibt überall einen Behinderten-Parkplatz“, erzählt Lin. Das ist wichtig für sie, weil sie viel mit ihrem Motor-Roller unterwegs ist. Der Roller ist behindertengerecht umgebaut: Er hat zwei Hinterräder und eine Rollstuhl-Halterung neben dem Lenkrad. Lin fährt oft zum Training, manchmal hält sie Vorträge und sie studiert jetzt auch.

Sie sagt: „Ich mache jetzt nur noch das, was mir selbst Freude bereitet.“

Geschrieben Von

Carina Rother

Einfache Sprache von

Constanze Busch

Redaktion

Lisa Kreutzer