Manche nennen es Urlaub

Ana besucht ihre alte Heimat Kroatien
Eine junge Frau sitzt seitlich auf einer Parkbank. Sie sieht mit ernsten Blick in die Kamera. Sie hat lange braune Haare und trägt ein weiße Jacke. Im Hintergrund sieht man Bäume und blauen Himmel.

Geschrieben von

Ana lebt in Deutschland.
Ana ist gehörlos.
In den Ferien reist sie oft
in das Land Kroatien,

wo sie geboren wurde.
Wie ist es,
als gehörloser Mensch
in die alte Heimat zu reisen?

Ana Smidt ist 35 Jahre alt
und hat eine Hör-Behinderung.
Ana lebt in Deutschland.
Aber sie ist in Kroatien geboren.
Vor mehr als 30 Jahren
ist Ana nach Deutschland umgezogen.

Da war sie noch ein kleines Kind.

Anas Mutter ist mit Ana nach Deutschland umgezogen, weil Ana eine Hör-Behinderung bekommen hat.
Ana ist jetzt fast gehörlos.
Anas Mutter wollte,

dass Ana auf eine gute Schule gehen kann.

Und dass Ana gute Möglichkeiten hat,
nach der Schule eine Arbeit zu finden.
Eine Fach-Frau hat zu Anas Mutter gesagt:
Das geht in Deutschland besser als in Kroatien.

Deshalb sind sie nach Deutschland gekommen.

Lange Besuche bei der Familie

Ana lebt schon viele Jahre in Deutschland.

Aber ihre Heimat-Region in Kroatien
ist wichtig in Anas Leben.
Die Region heißt: Slawonien.

Anas Groß-Eltern haben dort gelebt.
Ana hat bei ihnen viele Ferien verbracht.

Manche Menschen glauben vielleicht:
Ana hat in Kroatien Urlaub gemacht.
Aber Ana sagt nicht:
Urlaub.
Sondern:
sehr lange Besuche bei der Familie.

Ana erinnert sich an Kaffee-Trinken
mit der Familie und allen Nachbar*innen
im Haus von Anas Groß-Eltern.
Das war schön.
Aber Ana hatte in Kroatien
nicht viel Zeit alleine.
In Deutschland hat sie mehr Zeit für sich.

Das mag Ana lieber.

Eine junge Frau lächelt in die Kamera. Sie hat lange braune Haare und trägt eine weiße Jacke. Sie steht in einem Park. Im Hintergrund sieht man Bäume.
Das ist Ana in der Stadt Essen.

Ana ist früher manchmal
mit ihrer Mutter nach Kroatien gefahren.

Manchmal ist Ana auch allein
mit dem Bus gefahren.
Die Reise hat ungefähr 18 Stunden gedauert.

Ana hat sich unterwegs
auf den Besuch im Heimat-Dorf gefreut.

Aber sie hatte auch Angst.
Zum Beispiel
bei den Toiletten-Pausen an Rast-Stätten.
Manchmal musste Ana
in einer langen Schlange an den Klos warten.
Dann hatte sie Angst,
dass der Bus vielleicht ohne sie wegfährt.

Ana hat die Sprache in Kroatien

schlecht verstanden.
Und Ana hat wenig gehört.

Darum konnte sie nicht einfach jemanden anrufen.

Aber zum Glück ist der Bus nie ohne Ana weggefahren.

Weniger Inklusion in Kroatien

Ana sagt:
Viele Menschen in Kroatien haben Mitleid
mit Menschen mit Behinderungen.
Viele Menschen glauben,
dass Menschen mit Behinderungen Schutz brauchen.

Oder dass Behinderungen eine Strafe von Gott sind.

In Deutschland glauben auch
manche Menschen solche Dinge.
Aber Ana kann dort mehr am Leben teilhaben.
Zum Beispiel, weil dort mehr Menschen
die Gebärden-Sprache sprechen.

Ana spricht 3 Sprachen:
Kroatisch, Deutsch
und die Deutsche Gebärden-Sprache.
Die Deutsche Gebärden-Sprache ist
in Deutschland als Sprache anerkannt.
In Kroatien ist die Kroatische Gebärden-Sprache

noch nicht anerkannt.
Darum werden gehörlose Menschen

in Deutschland mehr beachtet als in Kroatien.
Ana fühlt sich dem Land Kroatien darum
manchmal nicht so nah.

Kroatien ohne die Familie

Als erwachsene Frau hat Ana

Kroatien noch einmal neu kennengelernt.
Sie hat mit ihrer Partnerin
eine Reise durch das Land gemacht.

Dabei hat sie gesehen:
Junge Menschen glauben oft nicht,
dass sie in Kroatien eine gute Zukunft haben.

Darum ziehen sie aus Kroatien weg.
Vielleicht bekommen sie in einem anderen Land

mehr Geld für die Arbeit.
Vielleicht haben sie Behinderungen.
Und in anderen Ländern

gibt es weniger Hürden.
Es tut Ana leid,
dass so viele junge Menschen weggehen.

Das Bild zeigt analoge Fotos auf einem Tisch. Rechts oben hält eine Hand ein Foto hoch. Auf den Bildern sieht man mehrere Menschen.
Ana zeigt Fotos aus Kroatien.

Ana weiß noch nicht,
wann sie wieder nach Kroatien reisen wird.

Das liegt auch daran:
Anas Mutter und Anas Groß-Eltern
sind gestorben.
Das heißt:
Bei ihrer nächsten Reise holt sie
niemand am Bus-Bahnhof ab.

Ana sagt:
Ich muss herausfinden,
was das Land Kroatien ohne

meine Familie für mich bedeutet.

Aber eine Sache weiß Ana schon.

Bei der nächsten Kroatien-Reise

will sie Orte besuchen,
die für Anas Mutter wichtig waren.

Ana will dann am liebsten

mit dem Bus durch Kroatien fahren.

So wie Ana es von früher kennt.

Geschrieben Von

Katharina Walser

Fotos von

Sofia Brandes

Redaktion

Clara Porak

In Leichter Sprache von

Constanze Busch

Geprüft von

Luise Jäger