Mehr Zeit für Erholung

Gedanken zu Urlaub
Die Zeichnung zeigt eine bunte Landschaft. Wiesen, Flüsse und am Horizont einen Berg.

Geschrieben von

Viele Menschen fahren
in ihrer Urlaubs-Zeit weg.

Viele machen teure Reisen.
Für Menschen mit Behinderungen
gibt es dabei oft Hürden.

Oder sie haben nicht genug Geld für eine Reise.
Unser*e Autor*in sagt:
Erholung muss für alle da sein.

Wie geht guter Urlaub?

Meine Pläne für den Sommer sind:
Eine bezahlbare eigene Wohnung finden.
Umziehen.
Eine große Kuschel-Ecke bauen.
Anträge schreiben.
Hoffentlich ein paar freie Stunden am See.
Ob dann Zeit und Geld für Urlaub übrig bleiben,
mal sehen.

Das Wort ‚Urlaub‘ kommt vom
alten deutschen Wort ‚Urloup‘.
Urloup hieß:
‚Erlaubnis‘.
Zum Beispiel eine Erlaubnis dafür,
wegfahren zu dürfen.
Wer sich Urlaub erlauben kann,
hängt von vielen Dingen ab.
Davon, ob man einen Reise-Pass hat und
in welche Länder man mit dem Pass reisen darf.
Wie viel Geld man hat.
Von der Beweglichkeit und der Gesundheit.

Die Zeichnung zeigt eine Person, welche mit dem Rücken zur Kamera auf einer Picknick-Decke sitzt. Die Person schreibt in ein Notizbuch. Daneben sind bunte Flecken, die eine Wiese darstellen.

Früher war Urlaub ein besonderes Recht der Adeligen.
Sie durften Urlaub machen,
weil sie sich im Alltag zu wenig bewegten.
Später erkämpften sich Arbeiter*innen
in Fabriken bezahlte Urlaubs-Zeiten.
Heute haben Menschen in Europa
meistens 20 bis 30 Urlaubs-Tage im Jahr,
wenn sie fest angestellt sind.

Um diese freien Wochen besonders zu nutzen,
fahren viele Menschen weg.
Zum Beispiel in schicke Hotels.
Oder auf Reisen mit großen Kreuzfahrt-Schiffen.

Menschen mit Behinderungen passen
in diese Urlaubs-Welt oft nicht hinein –
oder sind darin offenbar unerwünscht.
Wer in einem Rollstuhl reist,
autistisch ist oder eine Assistenz braucht,
stößt auf Barrieren.
Wie viele Hotel-Pools haben eine Rampe?
Kann man sich auf die Flug- Begleitung verlassen?

Menschen mit Behinderungen
haben außerdem oft weniger Geld zur Verfügung,
weil sie zum Beispiel nicht am
ersten Arbeits-Markt teil- haben können.
Und es fehlt nicht nur das Geld für Urlaub,
sondern auch die Kraft.
Wer täglich gegen Ämter,
Vorurteile und Ungerechtigkeiten kämpfen muss,
hat wahrscheinlich keine Kraft für eine Reise.

Die Zeichnung zeigt eine Muschel und darunter ein Schneckenhaus sowie eine Koralle. Die Zeichnung ist mit verschiedenen Farben mit Buntstiften gemalt.

Ich bin neuro-divergent.
Das heißt:
Mein Gehirn arbeitet anders
als bei vielen anderen Menschen.
Ich brauche zum Beispiel einige Zeit,
um mich an neue Umgebungen zu gewöhnen.
Wenn sie zu laut oder zu parfümiert sind,
kann ich dort nicht bleiben.
Auf Urlaubs-Reisen muss man
immer wieder die Orte wechseln,
Koffer packen und in fremden Betten schlafen.
Für mich ist das oft anstrengender als mein Alltag.
Gleichzeitig liebe ich es,
mit dem Zug durch unbekannte Landschaften zu fahren.

Ich bin auch eine queere Person.

Queer nennt man zum Beispiel Menschen,

die Menschen aller Geschlechter lieben.

Ich fühle mich mit anderen
queeren Menschen am wohlsten.

Queere Personen sind nicht überall sicher.

Ich muss im Urlaub also meine Bedürfnisse
und meine Sehnsüchte verbinden.

Damit das funktioniert,
brauche ich Planung und Zeit.
Und ich muss wichtige Dinge
gut mit anderen Menschen besprechen.
In meinem Traum-Urlaub können alle entspannen,
in ihrer eigenen Geschwindigkeit.

Denn Urlaub sollte für alle Menschen möglich sein.

Dafür kämpft zum Beispiel
die Disability Justice Bewegung.

Disability Justice heißt:
Gerechtigkeit für Menschen mit Behinderungen.
Die Disability Justice Bewegung möchte zum Beispiel,
dass Menschen anders über Zeit denken.
Weil Zeit nicht für alle Menschen gleich ist.
Verschiedene Körper brauchen unterschiedlich lange,
um sich zu erholen.
Manche Menschen brauchen nach einem einstündigen Termin den ganzen Tag zum Ausruhen.

Das nennt man auch:
Crip Time.
Crip Time heißt übersetzt:
Krüppel-Zeit.
Krüppel ist hier nicht als Schimpf- Wort gemeint.
Sondern Menschen mit Behinderungen
nennen sich selbst so,
weil sie stolz auf sich sind.
Und sie sagen:
Unsere Zeit soll zu unseren Bedürfnissen passen.
Darum gibt es auch die Idee von Crip Time Urlaub.
Die Disability Justice Bewegung fordert:
Erholung und Urlaub sind für alle da.
Erholung ist ein Menschen-Recht.

Für mich bedeutet Crip Time:
zusammen Räume gestalten, träumen und spielen.
Alles ohne Leistungs-Druck.

Die Zeichnung zeigt vier Personen, die in einem Kreis zusammenliegen. Sie tragen bunte Kleidung und umarmen sich.

Vor ungefähr 50 Jahren entstand in den USA aus einem Ferien-Lager die Behinderten-Rechts-Bewegung.

Die Doku Crip Camp
Sommer der Krüppelbewegung erzählt
diese Geschichte eindrucksvoll.
Mein Traum-Urlaub?
Ein gemeinsam organisiertes Treffen
in einer barriere-armen Villa,
erreichbar mit Bus oder Zug.
Es gibt Rückzugs- Orte und Räume für Austausch.

Wir verbringen Crip Time zusammen,
alle nach ihren eigenen Bedürfnissen.

Wir machen Ausflüge ans Meer,

sammeln Kräuter,

lesen und kochen zusammen.

Assistent*innen werden fair bezahlt.

Und niemand muss sich erklären.

Die Zeichnung zeigt drei Hände nebeneinander. Sie halten verschiedene Korallen. Die Zeichnungen sind blau-gelb gezeichnet. Die Korallen haben bunte Farben.

Crip Time Urlaub ist keine private Lösung,
sondern eine politische Idee für eine gute Zukunft:
für eine Gesellschaft,
in der alle Menschen gleich viel wert sind.
Und in der alle Menschen
genau so viel Erholung bekommen,
wie sie brauchen.
Crip Time kann auch zu Hause stattfinden.
Es geht nicht so viel ums Wegfahren.
Sondern darum,
Zeit neu zu gestalten.
Meine zukünftige Wohnung gemütlich zu machen und in meinem eigenen Tempo leben zu können:
Das ist für mich auch Erholung.

Geschrieben Von

lotti Seebeck

Zeichnungen von

Charlotte Kachelmann

Redaktion

Kristina Kobl

In Leichter Sprache von

Constanze Busch

Geprüft von

Nikolai Prodöhl