Manche Politiker*innen haben vorgeschlagen, dass die Namen von manchen Menschen mit psychischen Krankheiten auf Listen geschrieben werden. Wir erklären die Vorschläge von den Politiker*innen. Und wir haben mit zwei Fach-Frauen über die Vorschläge gesprochen.
Gut zu wissen, bevor du das Interview liest
Was die Politiker*innen sagen
Ein Politiker von der Partei CDU hat Ende des Jahres 2024 vorgeschlagen: Es soll Listen geben mit den Namen von Menschen mit psychischen Krankheiten. Die Menschen sollen auf die Liste kommen, wenn sie gewalt-tätig waren.
Im Sommer 2025 hat die Regierung im deutschen Bundes-Land Hessen einen neuen Vorschlag für das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz gemacht. Sie wollte das Gesetz für Hessen ändern. Sie hat gesagt: Menschen mit schweren psychischen Krankheiten sind manchmal gefährlich für andere Menschen. Zum Beispiel Menschen mit schweren psychischen Krankheiten, die in einem Kranken-Haus für Menschen mit psychischen Krankheiten behandelt werden. In der Regierung von dem Bundes-Land Hessen sind die Parteien CDU und SPD.
Menschen mit psychischen Krankheiten sollen auf eine Liste kommen, wenn Ärzt*innen sagen: Der Mensch ist vielleicht gewalt-tätig oder gefährlich.
Die Politiker*innen wollen deswegen ein Gesetz ändern, damit die Listen gemacht werden können und damit die Polizei die Listen bekommen kann.
Viele Menschen finden die Vorschläge mit den Listen nicht gut.
Deswegen ist noch nicht sicher, ob das Gesetz geändert wird.
Hilde Schädle-Deininger ist Kranken-Pflegerin und Autorin. Dorothea Sauter ist Kranken-Pflegerin und Forscherin. Die beiden kennen sich gut mit psychischen Krankheiten aus. Wir haben mit ihnen über die Ideen der Politiker*innen gesprochen.
Sandra Schmidhofer:
Was halten Sie von den Vorschlägen der Politiker*innen?
Hilde Schädle-Deininger:
Ich finde, das ist keine gute Idee. Warum sollen Menschen mit psychischen Krankheiten in Listen eingetragen werden? Das Risiko, durch die Gewalt-Tat eines psychisch erkrankten Menschen zu sterben, ist extrem niedrig.
Listen sind auch ein Problem, weil sie an den National-Sozialismus erinnern. Im National-Sozialismus wurden sehr viele psychisch kranke und behinderte Menschen ermordet. Rund 300 Tausend Menschen sollen es gewesen sein. Viele dieser Menschen wurden vorher auch auf Listen geschrieben. Diese Geschichte dürfen wir nicht vergessen.
Dorothea Sauter:
Listen verstärken Vor-Urteile.
Zum Beispiel: Alle Menschen mit psychischen Krankheiten sind gewalt-tätig oder gefährlich. Aber das stimmt nicht. Es ist ein Problem, wenn es in der Gesellschaft viele Vor-Urteile gegenüber psychisch kranken Menschen gibt. Dann haben Menschen mit psychischen Krankheiten vielleicht mehr Angst, anderen von der Krankheit zu erzählen. Weil sie Angst haben, dadurch Nachteile zu haben.
Außerdem gibt es keine klare Grenze zwischen psychisch krank und psychisch gesund. Es gibt Diagnosen. Das heißt: Ärzt*innen sagen, welche Krankheit jemand hat. Aber das ist nicht immer eindeutig. Wer soll auf solchen Listen stehen? Kein Mensch ist 100 Prozent krank oder immer 100 Prozent gesund.
Die Politiker*innen meinen: Listen würden helfen, dass es weniger Gewalt-Taten gibt. Was würde Ihrer Meinung nach wirklich helfen?
Der beste Schutz vor Gewalt-Taten ist eine gute psychologische Versorgung. Es muss in allen Bereichen des Alltags viel Hilfe geben. Und es muss Unterstützung beim Wohnen und bei einer sinnvollen Tätigkeit geben.
Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen mit psychischen Krankheiten Vertrauen ins Hilfe-System haben. Damit mehr Menschen sich behandeln lassen. Wir müssen Hilfe einfacher zugänglich machen. Manche Menschen haben schlechte Erfahrungen gemacht mit dem Hilfe-System und mit psychiatrischen Hilfen. Hier müssen wir uns besonders bemühen, dass die Angebote einfach zugänglich sind und dass die Menschen uns vertrauen. Listen schaffen kein Vertrauen, sondern das Gegenteil.
In Deutschland fehlten laut der Bundes-Psychotherapeuten-Kammer im Jahr 2024 etwa 7 Tausend Praxen für Psychotherapeut*innen. Laut dem Deutschen Krankenhaus-Institut hatte etwa die Hälfte der Kliniken über eine längere Zeit im Jahr 2024 nicht genug Pflegekräfte.
Mehr Hilfe ist gar nicht so einfach. Es gibt zu wenige Therapie-Plätze. In Deutschlands Psychiatrien gibt es Personal-Mangel. Welche Veränderungen wünschen Sie sich?
Es geht nicht nur um Therapie-Plätze, sondern vor allem um Hilfe und Begleitung im Alltag.
Ich denke, wir müssen auch in der Pflege umdenken. Es ist wichtig, dass Pflege-Kräfte für die professionelle Pflege gut ausgebildet werden. Im Alltag gibt es jedoch unterschiedliche Unterstützungs-Bedürfnisse. Personen, die beim Essen begleiten oder Alltags-Gespräche führen, müssen nicht unbedingt eine hohe Ausbildung haben. Da könnten auch Menschen einen guten und wichtigen Job machen, die keine lange Ausbildung gemacht haben. Und Personen, die eigene Erfahrungen mit Kliniken für Menschen mit psychischen Krankheiten gemacht haben.
Es braucht mehr Hilfe-Angebote, die einfach zugänglich sind. Es braucht mehr Hilfe-Angebote, zu denen man einfach hingehen kann. Es braucht auch mehr Menschen, die zu psychisch erkrankten Personen nach Hause fahren. Eine Person, die jeden Tag oder einmal in der Woche nachsieht, ob der Alltag im Griff ist. Dann würde es den Menschen insgesamt besser gehen. Und dann passieren auch weniger schwierige Situationen.
Sie sagen: Es braucht mehr Hilfe für die Menschen, damit es weniger Gewalt-Taten gibt. Aber was machen Sie, wenn es doch zu Gewalt kommt? Wie sehr arbeiten Sie in der Psychiatrie mit der Polizei zusammen?
Natürlich rufen wir in der Psychiatrie die Polizei, wenn es zu Gewalt kommt und wir die Situation nicht im Griff haben. Oder wenn sich jemand bedroht fühlt. So wie man das im Restaurant oder in einer Schule auch machen würde. Auch die Psychiatrie ist kein Ort, an dem alles erlaubt ist. Wenn ein Patient Gewalt ausübt oder aggressiv ist, dann kann es für ihn Folgen haben.
Müssen Polizist*innen besser geschult werden?
Es wäre gut, wenn sich die Polizei Unterstützung von Fach-Personen einholt. Oft sind sie unsicher, wie sie das Verhalten von Personen mit psychischen Krankheiten einordnen sollen. Sie sollten wissen, was eine Wahn-Vorstellung ist. Sie sollten wissen, wie Menschen in einer schwierigen Situation reagieren und wie sie sich dann verhalten sollen.
Ganz wichtig ist es auch, nach Einsätzen gemeinsam zu reflektieren: Was können wir von dem Einsatz lernen? In meiner Arbeit hatte ich schon öfter solche Gespräche mit Polizei-Beamten, die bei einer schwierigen Situation dabei waren. Das hat allen sehr geholfen.
Geschrieben von
Sandra Schmidhofer
In Einfache Sprache von
Constanze Busch
Fotografiert von
Privat
Redaktion
Kristina Kobl und Lisa Kreutzer
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