Falsche Fragen

Unser Autor hat zu Arbeits-Fähigkeit recherchiert. Ein Text über den Frust, nur darauf reduziert zu werden, was man nicht kann.
Eine Lupe, die einen Text vergrößert

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Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit der Investigativ-Plattform DOSSIER entstanden.

Nach meinem Abschluss an einer Förderschule in Deutschland bin ich direkt in eine Werkstätte für Menschen mit Behinderungen gekommen. Meine Lehrer·innen meinten, dass für mich ein geschützter Arbeitsplatz geeignet ist. Um eine Ausbildung im allgemeinen Arbeitsmarkt zu absolvieren, benötigt man einen bestimmten Abschluss, etwa von der Hauptschule. So einen Schulabschluss habe ich nicht geschafft. Weil es keinen inklusiven Arbeitsmarkt gibt, wäre ich überfordert gewesen. In der Arbeit und in der Ausbildung. Denn ich brauche Unterstützung bei der Ausführung der Arbeit.

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In Zusammenarbeit mit DOSSIER und andererseits habe ich zum Thema Arbeits-Fähigkeit recherchiert. Die Bundes-Agentur für Arbeit in Deutschland, die für mich zuständig ist, funktioniert ähnlich wie das Arbeitsmarkt-Service in Österreich. In beiden Ländern gibt es Tests und Untersuchungen, die angeblich zeigen sollen, wie gut jemand arbeiten kann.

Allerdings bin ich der Meinung, dass etwa ein Test für logisches Denken nicht aussagekräftig genug ist, um zu beurteilen, ob jemand für den allgemeinen Arbeitsmarkt geeignet ist. Es gibt Menschen, die bei solchen Tests nicht gut abschneiden. Aber sie haben vielleicht andere Talente wie handwerkliches Geschick oder körperliche Ausdauer. Auch in Österreich gibt es für alle dieselbe Untersuchung, egal welchen Job man machen will.

Wegen meiner Lern-Behinderung ist das logische Denken nicht meine Stärke. Dafür benötige ich unterstützende Assistenz. Deshalb hätte ich vor so einem Test Angst, dass ich mich blamiere und dass ich durchfalle. Nach dem Test wird ein Gutachten erstellt und gesagt, ob man für den allgemeinen Arbeitsmarkt geeignet ist. Wenn nicht, kommt man in eine Werkstätte für Menschen mit Behinderungen. Und da wieder rauszukommen, ist schwer. Das schaffen nur ganz wenige.

Ich finde einen solchen Test für Menschen mit Behinderungen nicht sinnvoll. Für mich hat das nichts mit Menschenwürde zu tun. Es wird vor allem geprüft, was man nicht kann – und nicht, was man kann. Das fühlt sich unfair an. Man sollte schauen, welche Talente Menschen haben und wie sie sich einbringen können.

Ich bin überzeugt, dass auch Menschen mit Behinderungen am allgemeinen Arbeitsmarkt erfolgreich sein können. Ich empfinde den allgemeinen Arbeitsmarkt als herausfordernd, aber das liegt daran, dass viele Unternehmen nicht inklusiv sind.

Viele Firmen sind nicht flexibel und legen nur Wert auf Leistung und Schnelligkeit. Ich wünschte, das wäre anders. Ich wünschte, sie würden testen, was man gut kann.

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Geschrieben Von

Nikolai Prodöhl

Redaktion

Lisa Kreutzer

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