Polizei-Einsätze können für Menschen in psychischen Ausnahme-Situationen tödlich enden. Von 1990 bis Ende Oktober 2025 waren 107 der 376 von der Polizei getöteten Menschen in psychischen Ausnahme-Situationen. Welche Ideen für eine bessere Polizei-Arbeit gibt es? Und für eine Gesellschaft mit weniger Polizei?
Idee: Mehr Zusammen-Arbeit zwischen Polizei, Betroffenen, Angehörigen und Fach-Kräften.
Polizist*innen treffen oft auf Menschen mit psychischen Krankheiten, wenn eine Gefahr besteht oder jemand denkt, dass eine Gefahr da ist.
Das kann dazu führen, dass psychische Krankheit automatisch mit Gefahr gleichgesetzt wird. Diese Annahme kann dazu führen, dass Situationen zwischen Polizist*innen und Menschen in psychischen Ausnahme-Situationen schneller eskalieren.
Deshalb gibt es die Idee, dass Menschen mit psychischen Krankheiten, Polizist*innen und Fach-Leute schon früher miteinander sprechen. Dafür soll es Fortbildungen geben, die Polizist*innen besuchen. Diese nennt man: Trialog.
In Hamburg gibt es diesen Trialog. Die Polizist*innen lernen dort mehr über psychische Krankheiten. Außerdem sollen sie über ihr eigenes Verhalten nachdenken und sich fragen: Habe ich richtig gehandelt? Und sie treffen auf Menschen mit psychischen Krankheiten, reden mit ihnen und hören ihnen zu. Das hilft, Vor-Urteile abzubauen. Denn Polizist*innen lernen, Menschen mit psychischen Problemen besser zu verstehen und in schwierigen Situationen ruhiger und sicherer zu handeln. Sie sollen lernen, wie sie es schaffen, dass eine Situation nicht eskaliert.
Idee: Vertrauen statt Waffen
In Deutschland und Österreich haben Polizist*innen meistens Schuss-Waffen mit, wenn sie im Einsatz sind. In anderen Ländern wie Island oder Großbritannien arbeitet die Polizei meistens ohne Schuss-Waffen. Im Streifen-Dienst tragen die Polizist*innen dort nur Schlag-Stöcke und Pfeffer-Spray, aber meistens keine Schuss-Waffen.
Laut dem britischen Innen-Ministerium trugen zwischen April 2024 und März 2025 weniger als 4 Prozent aller Polizist*innen in England & Wales Schuss-Waffen. Waffen tragen meistens nur Spezial-Einheiten. Zum Beispiel Polizist*innen, die bei Terrror-Anschlägen oder schweren Verbrechen eingreifen. Die Idee dahinter heißt „Policing by Consent“. Das bedeutet: Die Polizei soll die Zustimmung und das Vertrauen der Menschen haben – nicht durch Angst oder Gewalt, sondern durch Respekt und Zusammen-Arbeit. Darum ist sie dort meistens nicht bewaffnet.
Idee: Mehr Zusammen-Arbeit zwischen Krisen-Diensten und Polizei
Es gibt in Deutschland keine einheitlich organisierte Zusammen-Arbeit zwischen psychiatrischen Akut-Einrichtungen und der Polizei. In jedem Bundes-Land gibt es sozial-psychiatrische Dienste, die bei psychischen Krisen helfen. Aber nicht überall kommen sozial-psychiatrische Dienste auch zu Polizei-Einsätzen. Sie sind nicht rund um die Uhr erreichbar.
Einen Versuch, die Situation zu verbessern, gibt es in Bayern. Seit dem Jahr 2021 gibt es im deutschen Bundes-Land Bayern Krisen-Dienste. Sie sind rund um die Uhr erreichbar.
Sie helfen, wenn Menschen in psychischen Not-Lagen sind. Wenn Gefahr droht, kommen sie zu den Menschen in der psychischen Ausnahme-Situation. Sie kommen auch auf Polizei-Stationen.
Die Wissenschaftler Thomas Feltes und Michael Alex forschen viel über die Polizei in Deutschland. Sie schreiben in einem Hand-Buch für Einsatz-Trainings für Polizist*innen im Jahr 2021: Bei Einsätzen mit Menschen in psychischen Erkrankungen, seien “Uniform und vor allem Waffen meist wenig hilfreich.” Gewalt kann die Situation schnell verschlimmern.
Vielmehr sollten Polizist*innen mehr über psychische Krankheiten lernen und diese erkennen. Außerdem sei es wichtig, dass Polizist*innen von Fach-Leuten unterstützt werden. Die Mitarbeiter*innen von Krisen-Dienste sind für solche Situationen ausgebildet. Sie sind zum Beispiel Psycholog*innen, Pflege-Kräfte oder Sozial-Arbeiter*innen. Sie kennen sich gut mit Menschen in psychischen Ausnahme-Situationen aus.
Idee: Verändernde Gerechtigkeit
„Transformative Justice“ heißt auf Deutsch ungefähr „verändernde Gerechtigkeit“.
Es ist eine Idee, wie man mit Konflikten, Gewalt oder Unrecht umgehen kann – ohne Polizei oder Gefängnis.
Die „Transformative Justice“-Bewegung fordert: Mehr Konflikte und Probleme sollen in Gemeinschaften gelöst werden. Eine Person, die darüber viel nachdenkt, ist Mia Mingus. Mia Mingus ist eine Autorin aus den USA. Sie lebt mit Behinderungen und ist von Rassismus betroffen. Sie denkt deshalb viel über beide Themen nach. In einem Artikel aus dem Jahr 2019 schreibt Mia Mingus: Die Idee von “Verändernder Gerechtigkeit” wurde von Gemeinschaften entwickelt, die die Polizei nicht rufen können – zum Beispiel, weil sie Angst vor ihr haben. Sie finden andere Möglichkeiten, mit Gewalt umzugehen. Das Ziel von verändernder Gerechtigkeit ist, die Strukturen der Gesellschaft so zu verändern, dass weniger Gewalt passiert.
Teil von “Transformative Justice” ist oft, dass eine kleine Gruppe aus der Gemeinschaft mit der Person arbeitet, die jemandem geschadet hat. Ziel ist, dass diese Person versteht, was sie getan hat, sich entschuldigt und das eigene Verhalten so verändert, dass so etwas nicht wieder passiert. Das wünschen sich auch viele Betroffene.
Mia Mingus sagt: Dieser Prozess ist aber jedes Mal anders. Es geht darum, was die Menschen brauchen, die Teil davon sind. Nicht nur die Polizei oder das Gericht können helfen, wenn etwas Schlimmes passiert. Es gibt mehrere Möglichkeiten. Eine davon: Menschen können sich gegenseitig schützen.
Du willst mehr zum Thema Polizei und ihren Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahme-Situationen erfahren?
Wir haben gemeinsam mit Journalist*innen des ZDF Magazin Royale zu Polizei-Einsätzen bei Menschen in psychischen Ausnahme-Situationen recherchiert.
Weitere Texte kannst Du hier lesen
Die ganze Sendung siehst Du hier: (Link zu Polizei-Video ZMR)
In Gebärden-Sprache hier:
Eine Zusammen-Fassung der Sendung in einfacher Sprache findest Du hier: (Link ZF)
Geschrieben Von
Nikolai Prodöhl
und Von
Lisa Kreutzer und Clara Porak
Grafik
Marlene Gschaider
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